Erlebnispädagogik in der Schule

1. Was ist Erlebnispädagogik?

Die zwei Erziehungsziele Kurt Hahns
Aktualität der Erlebnispädagogik
Transferproblematik der Erlebnispädagogik

2. Qualifikationen eines Erlebnispädagogen

3. Anwendungsfelder der Erlebnispädagogik

Erlebnispädagogische Aktivitäten im Vergleich
Vernachlässigte Formen der Erlebnispädagogik

4. Reise durch den Zauberwald
Mannschaftsseil  |  Blinder Weg  |  Spinnennetz  |  Lavateich  |  Säurefluss  |  Sitzkreis

5. Anbieter

6. Literaturliste

1. Was ist Erlebnispädagogik?

Prinz Max von Baden auf die Gründung Salems durch Kurt Hahn:

"Hier ist alles gestohlen, und das ist gut so, von Hermann Lietz, der wie kein anderer wagte, Jungen zu Mitträgern der Verantwortung zu machen, von Goethe, von den englischen Public Schools, von den Boy Scouts, von der deutschen Jugendbewegung nach den Freiheitskriegen, von Plato. Sie werden nichts finden, wovon wir sagen können, das haben wir entdeckt."

In einer Erziehung sollte nicht mehr die bloße Wissensvermittlung im Vordergrund stehen, sondern die Gesamtpersönlichkeit des Schülers, wobei die Betonung auf der Selbstentwicklung der schöpferischen Kräfte des Kindes lag.


1.1 Die zwei Erziehungsziele Kurt Hahns

Die Charakterförderung des Menschen und die Erziehung des Menschen "zum verantwortungsvollen Denken und Handeln in einer auf freiheitlich - demokratischer Grundlage aufbauenden Gemeinschaft" durch eine Auseinandersetzung mit sich selbst und der Umwelt.

In seinen Schulen führte er vier Aktivitäten ein:

• den Dienst am Nächsten
• das körperliche Training
• das Projekt
• Organisation von Expeditionen.

1.2 Aktualität der Erlebnispädagogik

Erlebnispädagogische Maßnahmen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Einzelne in der Gruppe intensive Erlebnisse erfährt, die den Kern seiner Persönlichkeit treffen und mit denen er sich handelnd auseinandersetzt. Dieser Ansatz hat in der heutigen Zeit wieder an Aktualität gewonnen.

Als Beispiele sind hier zu nennen:

    Der immer noch zunehmenden Verfall gewachsener Systeme, wie lebenslange Nachbarschaften.
    Das zunehmende Bedürfnis nach Individualität, Selbstsein, Verwirklichung der eigenen Lebensziele schwächt die Fähigkeit zu Bindung und Solidarität im selben Maße ab.
    Unstrukturierte Wohnviertel (nur Pensionäre oder nur junge Familien)
    Entfernung der Wohnungen zum Arbeitsplatz der Eltern (Anfahrtszeit + Arbeitszeit)

1.3 Transferproblematik der Erlebnispädagogik

Wie können die Teilnehmer die Erfahrungen u. a. aus Extremsituationen in ihr "normales" Leben übertragen?

Die Reflexion nach einer Unternehmung spielt hierbei die größte Rolle.

Bei jeder Reflexion sollte der Satz von J. W. v. Goethe: "Der Weg ist das Ziel" besondere Berücksichtigung finden. Diskussionspunkt der Nachbesprechung sind daher hauptsächlich die Erfahrungen, die auf dem Weg zum Ziel gemacht wurden, und nicht das Ziel an sich.

Es geht um die Bewältigungsstrategien, die benutzt werden, um die Herausforderungen zu meistern.

Die Möglichkeiten eines gelungenen Transfers erhöht sich:

• wenn die Erfahrung im Gruppenverband der Erfahrung der Risikosituation zumindest gleichgestellt ist,
• wenn sich die Gruppe auch nach der Aktivität trifft und sich über die in ihrem Alltag gemachten Erfahrungen austauschen kann,
    wenn eine reflexive Vertiefung der Erfahrungen stattfindet.

2. Qualifikationen eines Erlebnispädagogen

Der Erlebnispädagoge ist in erster Linie der Architekt von Lernsituationen, die den Teilnehmern die Möglichkeit bieten, sich selbst und sich selbst als Gruppenmitglied zu erfahren, um bisherige Verhaltensweisen und Einstellungen überprüfen und gegebenenfalls verändern zu können.

Zweitens als Person, die diese Erfahrungen mit den Teilnehmern aufarbeitet und reflektiert, um eine Übertragung in den Alltag zu erreichen.

Und drittens als den Verantwortlichen, der die Sicherheit der Teilnehmer gewährleistet.

Der Betreuer muss dabei viele verschiedene Rollen übernehmen, wie zum Beispiel die des Trainers, des guten Beispiels, der Autoritätsfigur, des Initiators, des Kumpels, des Beschützers usw.

Bei der Qualifikation des Erlebnispädagogen kann man drei Grundkategorien unterscheiden:

• bestimmte Persönlichkeitsmerkmale:

Er sollte die Fähigkeit besitzen, sich selbst überflüssig zu machen. Er arrangiert und bereitet vor, lässt die Teilnehmer ihre Erfahrungen aber selbst machen.
Er sollte kompetent in der ausgewählten Sportart bzw. Disziplin sein und sich damit identifizieren.
Er sollte ein ökologisches Bewusstsein besitzen, und die Verantwortung für den rechten Umgang mit der Natur beachten und selbst auch anwenden.

• die pädagogisch - psychologische Kompetenz:

Die Aufgaben müssen auf die Bedürfnisse der Gruppe ausgerichtet sein (Gefahr der Über- bzw. Unterforderung).
Die Einführung und die Präsentation der Aufgabe sollte in einer Einheit dargestellt werden (Sprache, Betonung, Blickkontakt, Gesten).

Das PITT- Modell versucht die Phasen eines Lernprozesses zu bestimmen.

    P - Problematisierungsphase (Bekanntgabe des Themas und Motivation)
    I - Informationsphase (Sicherheitsvorkehrungen)
    T - Trainingsphase (je länger, intensiver und häufiger eine Erfahrung gemacht wird, desto mehr Eindrücke werden im Langzeitgedächtnis gebildet)
    T - Transferphase (Die letzte Phase versucht, eine Umsetzung der Erfahrungen in das Alltagsleben zu ermöglichen)

• die (natur-) sportliche Kompetenz:

Der Erlebnispädagoge sollte die Sportart beherrschen, die er verwendet. Ansonsten benötigt er fachmännische Unterstützung.
Das Sicherheitsdenken und -handeln muss vorhanden sein. Die Verantwortung für die Sicherheit der Teilnehmer muss immer gewährleistet sein. Die beste Sicherheit liegt nicht in der Vermeidung von Gefahren, sondern im Umgang mit Gefahren.
Der Betreuer muss zudem mit Erste - Hilfe Maßnahmen vertraut sein.

Anette Reiners

3. Anwendungsfelder der Erlebnispädagogik

Kurzzeitanbieter
(für eine Woche Erlebnis im Vordergrund) z. B. Outward Bound, Erlebnistage Harz

Reiseprojekte
(besonders BetreuerIn- Jugendliche- Verhältnis, insbesondere für Jugendhilfe) z. B. Schiffsreisen, Landprojekte, Wildniswanderungen

Wohnumfeld
(Alltagsbezug, regelmäßige Treffen, Veränderung der Lebenswelten stehen im Vordergrund) z. B. Abenteuerprojekt Marburg

Abenteuersport
(Bewegungserlebnisse im Mittelpunkt, in der Halle oder auf der Wiese) im Sportverein, Schule, Jugendhilfe

3.1 Erlebnispädagogische Aktivitäten im Vergleich

+ Entdeckung der Langsamkeit     - Bergwandern
+ Sich auf die Spitze treiben          - Klettern und Abseilen
+ Die Vertiefung im Dunkeln          - Höhlenbegehung
+ Der Tanz auf dem Wasser          - Kajakfahren
+ Eine eigene Welt                          - Kuttersegeln
+ Alle in einem Boot                        - Rafting
+ Der Sprung in die Tiefe                - Canyoning
+ Land und Leute erfahren            - Fahrradtouren
+ Die Einsamkeit erleben                - Solo
+ Abseits des Pistenrummels         - Skitouren
+ Balancieren in der Höhe              - Hochseilgärten
+ Zusammen durch das Spinnennetz - Kooperationsaufgaben

Stephan Schulz-Algie

3.2 Vernachlässigte Formen der Erlebnispädagogik

    Was bleibt ?
    - Transferproblematik der Erlebnispädagogik

    Lust auf Verwilderung
    - Gefahren und Chancen, Selbst- und Fremdbilder

    Das "schwache" Geschlecht
    - Frauen und Erlebnispädagogik

    Die unvermeidbare Schuld
    - Ökologie und Erlebnispädagogik

    Der "Quality Circle" in einer Person
    - Was muss der Erlebnispädagoge können?

    Safety First
    - Rechtsfragen, Sicherheitsstandards und -maßnahmen

Stephan Schulz-Algie

4. Reise durch den Zauberwald

Eine Gruppe auserwählter Menschen steht einer großen, verantwortungsvollen, aber auch gefährlichen Aufgabe gegenüber.

In einem noch nicht erforschtem Waldgebiet ist ein schwerwiegendes Problem aufgetreten. Viele Menschen dort sind diesem Problem schon zum Opfer gefallen und täglich werden es mehr. Symptome dieser rasend um sich greifenden Seuche sind Gleichgültigkeit, Selbstsucht, Konsumgier, Hass, Langeweile, Hochmut und Sprachlosigkeit und vieles mehr.

Um die Welt vor der endgültigen Ergreifung dieses Problems zu schützen, muss die Gruppe einen bisher geheim gehaltenen Weg in diesen Zauberwald beschreiten. Wenn es der Gruppe gelingt, alle Aufgaben auf dem Weg durch den Zauberwald zu meistern, können sie die Menschen aus dem Zauberwald retten, indem sie die Erfahrungen und Erfolgserlebnisse der Gruppe weitergeben.

4.1 Mannschaftsseil

Auf ein Zeichen von mir stellen sich alle Gruppenteilnehmer durcheinander auf das vorbereitete Seil. In dem Moment, in dem das Seil betreten wird, verstummen alle und können nicht mehr reden. Nun stehen sie vor der Aufgabe, sich entsprechend dem Anfangsbuchstaben ihres Vornamens, auf dem Seil zu ordnen. Am Anfang des Seils steht der Buchstabe A usw. bis zum Buchstaben Z am Ende des Seils.
Das Seil darf während der ganzen Aufgabe nicht verlassen werden.

4.2 Blinder Weg

Der Weg zum Zauberwald ist geheim, wie der Zauberwald selbst auch. Deswegen müssen die Auserwählten den Weg in völliger Blindheit zurücklegen. Aus ihren Reihen ist nur ein Einziger im Besitz seines Augenlichts. Entweder ist es der erste aus dem Alphabet, der auf dem Seil steht, oder ein von allen Auserwählter.
Alle Gruppenteilnehmer bekommen die Augen verbunden. Alle halten sich an dem Seil fest, das sie miteinander verbindet. Geführt werden sie von dem Sehenden. Alle können wieder sprechen... (ob das so sinnvoll ist ?)
Die Augenbinden dürfen erst wieder abgenommen werden, wenn das erste Etappenziel im Zauberwald erreicht ist.

4.3 Spinnennetz

Zwischen zwei Bäumen werden Schnüre so verspannt, dass ein Netz zustande kommt. (So viele Löcher einbinden wie TN. Darauf achten, dass diese groß genug sind, damit die Personen durchpassen. Niemand darf das Netz berühren. Streng darauf achten, sonst schlägt die Spinne zu....
Alle Teilnehmer müssen auf die andere Seite des Netzes gelangen. Absprachen und Helfen sind angesagt.
Jedes Loch darf nur einmal benutzt werden (Wäscheklammern)).
Das Netz ist der Eingang zu einem besonderen Teil des Zauberwaldes, in dem viele vergiftete Flüsse und Seen darauf warten, die Teilnehmer vor weitere Aufgaben zu stellen.

4.4 Lavateich

(Mit einem Seil einen Teich symbolisieren, in den keiner hineintreten kann, weil der Inhalt so heiß ist. Im Teich ist ein Gegenstand herauszuholen. Folgende Hilfsmittel stehen zur Verfügung: Baum, Seile, Helm, Bandschlinge, Tuch, Handschuhe)
Der Teich birgt magische Gegenstände, die die Gruppe braucht, um den weiteren Weg durch den Zauberwald zu bewältigen.

4.5 Säurefluss

(Mit drei Seilen und acht Klötzen zwei Inseln und das Festland symbolisieren. Den Fluss darf keiner betreten, da er sofort verätzt wird.) Auf der Rückseite der lebenswichtigen Bretter befinden sich viele wichtige Informationen, die notwendig sind, um die Einwohner des Zauberwaldes zu retten. Mit Hilfe der Steine kann der Fluss überquert werden. Die Klötze dürfen aber nicht berührt und verschoben werden. Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass alle Teilnehmer und alle Bretter von den Inseln auf das Festland kommen, ohne beschädigt zu werden. Die Bretter und die Teilnehmer, die den Säureteich berühren, müssen zurück auf die Inseln, dort können sie repariert werden.

4.6 Sitzkreis

Doch wohin geht die Reise? Ein Sitzkreis muss erstellt werden, um den geheimen Ausgang aus dem Zauberwald zu finden.
Alle Teilnehmer stellen sich in einen engen Kreis und führen eine halbe Drehung nach rechts durch. Auf ein gemeinsames Zeichen setzen sich alle auf die Knie der/s Hinterfrau/manns. Nun bewegen sich alle gleichmäßig fort und begeben sich aus dem Zauberwald.

5. Anbieter

    Deutsches Jugendherbergswerk:
    - DJH Chemnitz, Sachsen
    - DJH Grävenwiesbach, Hessen
    - DJH Pottenstein, Bayern

    Marburger Abenteuerprojekt
    - Marburg, Hessen

    Arco Erlebnispädagogik
    - Wiesbaden, Hessen

    Faszinatour
    - Immenstadt, Bayern

    Verein für Umwelt und Erlebnispädagogik
    - Edertal, Hessen

    Straub Abenteuer und Sporttouristik GmbH
    - Schneizlreuth, Bayern

    Outward Bound
    - Baad, Kleinwalsertal

6. Literaturliste

Gilsdorf, Rüdiger/Kistner, Günter    
Kooperative Abenteuerspiele, Bd. 1
Seelze-Velber, 2000

Heckmair, B. u. a     Erleben und Lernen - Einstieg in die Erlebnispädagogik
Neuwied, 1993

Kölsch, Hubert/ Wagner, Franz J.     
Erlebnispädagogik in Aktionen
Luchterhand Verlag, 2001

Reiners, Anette     Praktische Erlebnispädagogik - Interaktionsspiele
Augsburg, 2000

Sportjugend Hessen/ Stephan Schulz-Algie     
Sportsfun-Broschüre - Freizeitsport mit jungen Menschen
Frankfurt, 1996

Sportjugend
Nordrhein-Westfalen     Praxismappe Abenteuer und Erlebnissport
Duisburg, 1994

Völkening, Martin
Meine schönsten Gelände- und Nachtspiele
AA-Verlag, 1998